Dienstag, 13. Oktober 2015

Filmbetrachung "Es ist schwer, ein Gott zu sein"

Letzte Woche konnte ich nicht widerstehen, mir die neue Verfilmung des Strugazki-Romans "Es ist schwer, ein Gott zu sein" im Kino anzusehen.
Erwartet habe ich ein schwer kopflastiges Stück Film, aber es wurde noch heftiger. Ein guter Freund, der mit dabei war (und großer Strugazki-Fan ist), bezeichnete es als Illustration zum Buch. Besser könnte ich es auch nicht ausdrücken.
Tatsächlich ist es schwer bis unmöglich, der Handlung nur anhand dieses Films zu folgen. Kennt man jedoch das Buch, erlebt man hier gewaltige Bilder, die dem ganzen unheimlich tiefe Atmosphäre verleihen.

Die Handlung: Eine Gruppe Wissenschaftler hat sich auf einem anderen Planeten, der in seiner Entwicklung etwa der irdischen Frührenaissance entspricht, eingeschlichen, um die Gesellschaft zu erforschen und zu dokumentieren. Dabei gerät der junge Historiker Anton, der die Rolle des Adligen Rumata von Estorien spielt, immer mehr in den Sog der Ereignisse, bis er entgegen seines Schwurs in das Geschehen eingreift.

Bereits 1989 wurde das Buch als Film umgesetzt. Aufgrund der völlig anderen Ansätze verbietet es sich fast, diese beiden Werke miteinander zu vergleichen, dennoch versuche ich es, um einen kleinen Faden zu haben, dieses unbeschreibbare Filmwerk irgendwie wiederzugeben.

In Peter Fleischmanns Version sehen wir einen Planeten des Umbruchs. Der (eigentlich) gütige König ist bereits so in seinem höfischen Leben und seiner Zeremonie gefangen, daß ihm jeder Kontakt zum Leben außerhalb seiner eigenen Mauern fehlt. Er ist nur noch eine Marionette und eine Witzfigur seines Adels.
Der Minister Reba versteht es, ihn so zu manipulieren und den religösen Fanatismus seiner Zeit zu nutzen, daß er seine eigene Macht immer weiter ausbaut und den im Niedergang begriffenen Adel durch seine absolute Herrschaft ersetzt. Doch mit dem Untergang des bisherigen Feudalismus gibt es auch eine Hoffnung auf eine neue Ordnung. Eine neue Haltung zum Wissen und zur Bildung bringt den Planeten voran. Verkörpert wird dies durch drei Männer des Planeten, die ihre Entsprechung in unserer Geschichte finden. Die Bauern erheben sich unter Führung des Spielmanns Suren (Thomas Müntzer) um mehr Rechte einzufordern, Waffenschmied Hauk (Johannes Gutenberg) erfindet eine neue Maschine und der Gelehrte Budach (Leonardo da Vinci) findet neuen Zugang zu Wissen über Medizin und Naturgesetze.

In der neuen Inszenierung fehlt dieser Hoffnungsschimmer. Zwar bricht die alte Ordnung hier ebenfalls zusammen, doch es gibt keinen Neuanfang. Statt dessen droht die Welt in einem Sumpf aus Schlamm, Ausscheidungen und Gedärm zu ersticken. Der König ist ebenfalls nur noch eine Galionsfigur, doch Reba ist hier kein charismatischer, gewissenloser Ursurpator, sondern nur ein feiger erbärmlicher Bürokrat. Doch genau das passt sehr gut zu der Atmosphäre des Films. Hier gibt es kein greifbares Übel, das man bekämpfen kann, nur den allgemeinen Verfall, der alles erfasst.
Auch Budach ist hier nicht der all-Weise, der Heilung zu bringen vermag.
Selbst die irdischen Beobachter sind nicht mehr die gottgleichen Wesen aus dem Titel. Waren sie in der 1989er Version unbeteiligte Beobachter, die durch den Kontakt mit der alten Welt ihre gefühlsgeleitete Menschlichkeit wieder entdecken, sind sie hier durch ihre Zeit auf dem Planeten völlig korrumpiert. Sie sind selbst der Dekadenz und Widerlichkeit verfallen, was sich in ihrem zweifelhaftem Fest gleich zu Beginn des Films zeigt. Das setzt sich auch in Rumatas Burg fort. Wie in einem Film von Peter Greenaway sind die Bewohner auf kleinstem Raum zusammengepfercht, wo sie in bizarrer Wohnfläche trotz der Enge neben- statt miteinander ihre grotesken Leben führen.

Der alte Film lässt sich (vereinfacht) mit "Star Trek trifft Highlander" beschreiben, wobei trotz der Hollywood-Stimmung sehr viel Wert auf die philosophischen Fragen des Buchs gelegt wurde.
Die neue Fassung lässt diese komplett außen vor, sondern konzentriert sich rein auf die optische Darstellung einer kranken, sterbenden Welt. Das heißt nicht, daß diese Fragen ignoriert werden, sondern sollen dem geschriebenem Wort, sprich dem Buch, überlassen bleiben.
So wie die Darstellung der Gesellschaft der Zeit der Renaissance entgegen steht, sind auch die Bilder. Gewaltig wie ein Gemälde der alten Meister sind sie doch ein Negativ davon. Grautöne statt strahlender Farben, Schlamm und Kot statt Himmel und Sonnenstrahlen; ärmliche, verhungernde, kranke und verkrüppelte, verdreckte Menschen statt edler Szenen oder strahlender glücklicher Putten.

Ein Film, den man unbedingt sehen sollte, aber es empfiehlt sich wirklich, das Buch vorher zu lesen oder zumindest den alten Film vorher anzuschauen, um wenigstens einen Bezug zu den Ereignissen zu haben.

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